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Warum es gut sein kann, Menschen, die sich schlecht benehmen, trotzdem gut zu behandeln….

21. April 2025

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Andreas Sandvoß

kontakt@andreas-sandvoss.de

Andreas Sandvoß - Konfliktmanagement Jugendhilfe / Schule

Nicht erst in der Jugendhilfe haben wir gelernt, dass die Menschen mit denen wir arbeiten immer eine lange Reise hinter sich haben, von der wir oft nicht so viel wissen. Deshalb sollten wir auch nicht überrascht sein, wenn wir in der Arbeit mit Verhaltensweisen konfrontiert sind, die so wirken, als wolle da jemand seinen ganzen Frust und seine ganze Wut an uns abarbeiten. Sieh das als Kompliment, denn Du bist gerade vor Ort und dein Gegenüber traut dir zu, diesen Konflikt gemeinsam mit dir  zu tragen und damit zu wachsen.

Solltest du das Ganze persönlich nehmen, dann bist du viel privater involviert, als das vielleicht in dem Moment, in dem professionelles Agieren gefragt ist, hilfreich ist. Achte auf deine Energie, deine Haltung, deine Impulskontrolle und laufe mal in Gedanken etwas in den Schuhen deines/r Ansprechpartners/in und du stellst schnell fest, dass dieser Konflikt mit dir stellvertretend stattfindet, weil die wirklichen Konfliktauslöser/träger nicht vor Ort sind oder das Herangehen zu viel Risiko für deinen Schützling birgt. Meine Oma hat immer gesagt: „Wie du in den Wald hineinrufst, so kommt es zurück“, und ich habe  von ihr gelernt, dass ich auch in wirklich herausfordernden Momenten wertschätzend in meiner Haltung bleibe. Vielleicht begleite ich ja auch gerade, ohne es sofort zu merken, meinen Schützling durch einen Konflikt, der ihn/sie stärker werden lässt. Deshalb geht es mir auch nicht darum zu „heilen“, sondern den Raum zu bieten, in dem Veränderung möglich ist und diesen Raum möglichst zu halten.

Für mich persönlich kann ich nur sagen, dass meine komplette Entwicklung in eine gesündere Richtung immer etwas mit Konflikten und Scheitern zu tun hatte.Für mich waren Konflikte immer auch irgendwie Angstpunkte oder verschlossene Türen mit einem dicken Schloß. Erst die Konfrontation mit dem was sich hinter dem Konflikt verborgen hatte, was in meinem Kopf wie ein großes Monster wirkte, war nach der Klärung nur noch so groß wie eine Fliege. Meinen Klienten/innen sage ich oft: Du musst nicht durch die Tür gehen, aber du kannst dich vor die Tür stellen und mal gucken. Wenn du magst, dann klopfst du und wenn die Tür nicht aufgeht, können wir sie gemeinsam aufmachen und erstmal reingucken. Alles was du mehr möchtest kannst du selbst entscheiden und ich unterstütze dich dabei.

Im systemischen Anti-Gewalt-Training SAGT(R) treffe ich sehr oft auf wirklich herausfordernde Verhaltensweisen, die ich erst lesen lernen musste. Was glauben wir denn, wie jemand reagiert, der/die unter schwierigsten Verhältnissen groß geworden ist? Warum soll der/die mir vertrauen, wenn schon Generationen von Erwachsenen vor mir keine guten Ansprechpartner gewesen sind? Oft geht es nur um Frust oder Angst, die sich in einem aggressiven Habitus widerspiegelt. Deshalb ist es in den in den sozialen Trainingskursen, Anti-Mobbing Kursen und systemischen Anti-Gewalt-Trainings SAGT(R) unabdingbar, in einen guten Kontakt zu kommen und Beziehung aufzubauen. Für mich braucht es hier keine Härte oder kräftige Kampfsportler/innen um die wilde Horde zu bändigen, sondern Herz, Hirn und ein hohes Mass in flexibler Standfestigkeit und Beharrlichkeit. Die Beziehung trägt und hält im Kontakt.

Meine beste Deeskalationsstrategie bei besonders herausfordernden Kunden im Bereich Ämter ist übrigens die folgende Technik:

Kunde betritt wütend das Büro und es ist erkennbar, dass er wirklich auf „einhundertundachtzig“ ist. Jetzt könnte ich dagegenhalten und ebenfalls wütend reagieren, mache ich aber nicht: Herr Müller, sie sind aber wirklich genervt. Was ist den passiert? Welche Laus ist Ihnen denn über die Leber gelaufen. Jetzt kommen sie doch erst einmal rein ud setzen sich mal. Was ist denn genau los und wie kann ich ihnen gleich helfen. Ja, das stimmt schon, die Paragrafen nerven mich auch oft. Wollen wir mal gemeinsam schauen? Kommen sie, ich helfe ihnen.

Das ist sicher keine Allgemeinlösung, aber ich mache gute Erfahrungen bei genervten Kunden, die jetzt keine Angriffstendenz haben oder völlig ungesteuert sind. Beim oben beschriebenen Fall redet sich der Kunden erst einmal seinen ganzen Frust herunter und wenn der Cortisolgehalt (Stresshormon) sich langsam senkt, nehme ich Herrn Müller an die bildsprachlich an die Hand und unterstütze so gut ich kann. Oft kommt dann: Ach entschuldigen sie wegen gerade, aber ich war wirklich echt genervt. Alle haben mich weiter geschickt und ich war wirklich genervt. Schön, dass sie mir helfen konnten….

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