Schule ist oft ein schwieriger Raum, weil hier zwei zentrale Systeme aufeinandertreffen: das funktionale System von Leistung, Noten und Bewertungen – und das soziale System der Beziehungen, Emotionen und Gruppenprozesse. Laut Klaus Hurrelmann entsteht Spannung, wenn diese Systeme nicht aufeinander bezogen werden: Wenn nur Leistung zählt, bleiben soziale Bedürfnisse auf der Strecke. Umgekehrt können gute Beziehungen allein Leistungsanforderungen nicht kompensieren. Erst wenn beide Seiten berücksichtigt werden, kann Schule ein förderlicher Ort sein – für Entwicklung, Bildung und Zusammenhalt.
Ein schulischer Rahmen, der Sicherheit, Verlässlichkeit und klare Strukturen bietet, ist die Grundvoraussetzung dafür, dass Kinder und Jugendliche überhaupt in der Lage sind, zu lernen. Bevor Lernprozesse stattfinden können, muss das sogenannte Grundbedürfnis nach Sicherheit erfüllt sein – emotional, körperlich und sozial. Fehlt diese Sicherheit, dominieren Stressreaktionen das Erleben und Verhalten, was direkt negative Auswirkungen auf Konzentration, Merkfähigkeit und Motivation hat.
Aus traumapädagogischer Sicht lässt sich das gut neurobiologisch erklären: Wenn sich ein Kind bedroht, ausgeschlossen oder überfordert fühlt – sei es durch Mobbing, Konflikte oder ständige Überforderung –, wird die Amygdala im Gehirn aktiviert. Sie ist zuständig für die Bewertung von Gefahr und löst die bekannten Stressreaktionen wie Flucht, Kampf oder Erstarren aus. Dabei wird der präfrontale Cortex, also das „denkende Gehirn“, in seiner Funktion gehemmt. Genau dieser Bereich ist aber entscheidend für rationales Denken, Planen, Problemlösen und das Verarbeiten von Lerninhalten.
Das bedeutet: Bedrohung blockiert Lernen. Ein Kind, das sich im Alarmzustand befindet, kann keine Vokabeln lernen, keinen Mathetext verstehen und keine sozialen Kompetenzen einüben.
Daher ist es nicht nur sinnvoll, sondern notwendig, dass Schule nicht nur ein Ort der Leistungsanforderung ist, sondern zuerst ein sicherer Ort. Erst auf diesem Boden kann Lernen nachhaltig, selbstbestimmt und entwicklungsfördernd gelingen.
Was ist das Konzept Cooligans®?
Cooligans® ist ein praxisorientiertes Gewaltpräventionsprogramm im Rahmen der Peer Group Education, das gezielt Schüler/innen mit starker Präsenz, Durchsetzungskraft und oft auch mit auffälliger Vorgeschichte zu positiven Einflussnehmern („positiv-peers“) ausbildet. Ziel ist es, diese Jugendlichen so zu stärken und zu begleiten, dass sie aktiv zu einem gewaltfreieren, respektvollen Schulklima beitragen – nicht durch Anpassung, sondern durch authentisches Engagement innerhalb ihrer Peer-Gruppe.
Das Programm verbindet Elemente der konfrontativen Pädagogik nach Andreas Sandvoß, der sozialen Kompetenzförderung sowie der traumasensiblen Haltung und sieht vor, dass nicht nur die Jugendlichen selbst, sondern auch Lehrkräfte und Fachpersonal eine aktive Rolle im Prozess übernehmen.
Die Cooligans®: Wer sie sind und was sie tun
Cooligans sind Schüler/innen, die im Alltag oft mit auffälligem Verhalten oder „verhaltensoffensiver Haltung“ in Erscheinung getreten sind – häufig jedoch mit einer ausgeprägten sozialen Intelligenz, Mut, Ausstrahlung und einem gewissen Einfluss auf andere. Diese Jugendlichen werden nicht ausgeschlossen, sondern gezielt angesprochen, motiviert und professionell geschult.
Aufgaben der Cooligans®:
-
Vorbildfunktion im Umgang mit Konflikten, Ausgrenzung und Gewalt
-
Frühzeitige Wahrnehmung und Thematisierung von Mobbing, Gruppendruck oder Eskalation
-
Unterstützung einzelner Schüler/innen, die sozial isoliert oder bedroht sind
-
Mitgestaltung einer positiven Schulkultur (z. B. durch AGs, Gentleman-/Gentlewife-Clubs)
-
Kooperation mit Lehrer/innen und Supportern bei schulischen Konflikten
Die Rolle der Lehrer/innen: Scouts und Supporter
Damit das Programm nachhaltig wirkt, braucht es erwachsene Verbündete im System Schule, die die Jugendlichen begleiten, bestärken und mittragen:
Scouts:
-
Lehrkräfte oder Schulsozialarbeiter/innen, die aktiv auf geeignete Schüler/innen zugehen. Hier wird die Schüler/innen Vertretung mit einbezogen.
-
Auswahl nach bestimmten Kriterien (Ausstrahlung, Mut, Einfluss, Motivation)
-
Erstansprechpartner für den Einstieg ins Cooligans®-Programm
Supporter:
-
Mindestens vier Fachkräfte an der Schule, die dauerhaft als Ansprechpersonen für die Cooligans® zur Verfügung stehen
-
Unterstützen bei Problemen, stärken die Regelbindung und fördern positives Verhalten
-
Stehen in regelmäßigem Austausch mit der Programmleitung
-
Sorgen für Kontinuität und nachhaltige Integration des Konzepts in die Schulstruktur
Der Ehrenkodex der Cooligans®
Alle Teilnehmenden verpflichten sich zur Einhaltung eines Ehrenkodex, der die Grundlage für Vertrauen und Verantwortung im Programm bildet. Er wird zu Beginn gemeinsam reflektiert, ergänzt oder erweitert und unterschrieben:
Zentrale Inhalte:
-
Ich stehe für Respekt und gegen Gewalt – verbal, körperlich und digital.
-
Ich halte mich an Vereinbarungen und bin zuverlässig.
-
Ich helfe anderen, ohne sie bloßzustellen.
-
Ich nutze meine Stärke, um Schwächere zu schützen – nicht um sie zu dominieren.
-
Ich übernehme Verantwortung für mein Handeln.
-
Bei Verstößen akzeptiere ich die Konsequenzen – auch den Ausschluss aus dem Programm.
Warum positiv-peers wirken
Das Konzept nutzt das Prinzip: Jugendliche beeinflussen Jugendliche. In Phasen der Identitätsentwicklung ist der Einfluss von Gleichaltrigen oft größer als der von Erwachsenen. Wer es schafft, in dieser Dynamik positive Vorbilder zu etablieren – die respektiert, glaubwürdig und präsent sind –, erreicht genau die Zielgruppe, die sich konventionellen pädagogischen Maßnahmen oft entzieht. Cooligans® sind glaubhafte Mittler zwischen zwei Welten: der Erwachsenenwelt mit ihren Regeln und der Peerwelt mit ihren eigenen Codes.
So entsteht ein gewaltpräventives Netzwerk von innen heraus, das Schule als sozialen Raum stärkt und Jugendlichen ermöglicht, eine neue Rolle jenseits von Ausgrenzung, Macht oder Ohnmacht einzunehmen.
Startschuss für die erste Cooligans®-Trainerausbildung – August 2025
Im August 2025 beginnt ein wichtiger Meilenstein für das Gewaltpräventionsprogramm Cooligans®: Die erste Trainerausbildung für Cooligan®-Trainer/innen startet – hybrid, praxisnah und zukunftsweisend. Ziel der Ausbildung ist es, Fachkräfte zu befähigen, Schulen aktiv dabei zu unterstützen, Scouts und Cooligan® Supporter zu begleiten sowie das gesamte Programm im schulischen Alltag nachhaltig zu verankern.
Damit alle Beteiligten unter denselben Standards und mit hoher Qualität arbeiten können, erhalten die Teilnehmenden ein Trainingsmanual, das Inhalte, Methoden und Vorgehensweisen klar strukturiert und praxisorientiert beschreibt. Teilnehmen können ausgebildete SAGT(R) Trainer/innen, Fachcoaches für Konfliktmanagement Jugendhilfe/Schule FKJS(R), sowie Fachcoaches für Mobbingprävention/Intervention FMPI(R).
Die Ausbildung richtet sich an engagierte Fachkräfte, die mit Überzeugung im Bereich der Peer Education, Gewaltprävention und schulischen Beziehungsarbeit tätig sein wollen. Im Fokus stehen dabei nicht nur die Jugendlichen, sondern auch die Schulen selbst, die bereit sein müssen, motivierte Lehrer/innen dauerhaft für das Programm freizustellen und in die Arbeit einzubinden.
Gestartet wird mit einer Auswahl an Projektschulen, die das Cooligans®-Programm als festen Bestandteil ihres Gewaltschutzkonzepts aufnehmen möchten. Diese Schulen gehen damit bewusst den Weg, Prävention nicht nur als Maßnahme, sondern als Haltung und Strukturprinzip im Schulalltag zu verankern.
Der Auftakt im August markiert den Beginn eines bundesweit einsetzbaren Präventionsnetzwerks, das Jugendlichen echte Chancen auf Verantwortung, Einfluss und Zugehörigkeit bietet – durch positive Peers und starke Partnerschaften mit den Erwachsenen im System.
Cooligans® – Ein geschütztes Konzept mit klaren Standards
Das Cooligans®-Programm ist ein eigenständiges und geschütztes Konzept zur Gewaltprävention und Peer-Education im schulischen Kontext. Begriff, Inhalte, Abläufe, Trainingsmanuale sowie der Ehrenkodex sind rechtlich über einen Patentanwalt geschützt. Hintergrund dafür sind wiederholte Erfahrungen aus der Vergangenheit, bei denen Konzepte nahezu identisch übernommen und unter anderem Namen weiterverwendet wurden.
Um Qualität, Wirksamkeit und eine einheitliche Umsetzung sicherzustellen, erhalten nur zertifizierte Cooligan®-Trainer/innen eine offizielle Lizenz, einen Trainervertrag sowie Zugang zu den standardisierten und geschützten Ausbildungsunterlagen.
Dieser Schritt gewährleistet, dass alle Beteiligten nach denselben hohen Standards arbeiten – im Sinne der Jugendlichen, der Schulen und der Nachhaltigkeit des gesamten Programms. Cooligans® steht nicht nur für Innovation, sondern auch für Integrität, Verbindlichkeit und professionellen Schutz geistiger Arbeit.
In den nächsten Tagen wird die Webseite angepasst und sowohl die Ausbildungstage, wie auch die Anmeldemöglichkeit werden gegeben sein. In diesem Jahr werden 20 Trainer/innen ausgebildet. Das Projekt startet in Deutschland und soll dann auch in der Schweiz, Luxemburg und Österreich eingeführt werden.