Warum „Anti-Aggressionstraining“ kein guter Titel ist – und was stattdessen hilft
Wenn Menschen zum sogenannten Anti-Aggressionstraining geschickt werden, ist das oft mit einer klaren Botschaft verbunden: „Du hast ein Problem – und das muss weg.“ Allein der Titel dieses Trainings suggeriert, dass Aggression etwas grundsätzlich Schlechtes ist, das man am besten unterdrücken oder „abschalten“ sollte. Doch dieser Ansatz greift viel zu kurz – und ist im Grunde sogar gefährlich. Denn: Aggressionen sind nicht das Problem. Sie sind Teil der Lösung.
Aggression ist nicht böse – sie ist lebensnotwendig
Aggressionen gehören zu unserem natürlichen Verhaltensrepertoire. Sie helfen uns, Grenzen zu setzen, uns zu verteidigen, für unsere Bedürfnisse einzustehen und unser Leben zu gestalten. Wer keine Aggression spürt, ist nicht friedlicher – sondern oft einfach angepasst, ausgelaugt oder depressiv. Die Energie der Aggression ist also keineswegs destruktiv – sie wird es nur, wenn sie unkontrolliert oder gegen andere gerichtet wird.
Ein Training, das darauf abzielt, „Aggressionen abzuschaffen“, ist also nicht nur sinnlos, sondern auch unsinnig. Was wir brauchen, ist etwas ganz anderes: Ein bewusster Umgang mit aggressiven Impulsen, das Verstehen ihrer Funktion – und ein Training, das Menschen hilft, diese Kraft konstruktiv zu nutzen. Wir benötigen dringend gut kanalisierte Aggressionen, damit wir uns weiterhin am Samstag an der Käsetheke gegen wilde Senioren behaupten können.
Vom Anti-Aggressionstraining zum systemischen Anti-Gewalt-Training (SAGT®)
Genau hier setzt das Systemische Anti-Gewalt-Training (SAGT®) an – ein Ansatz, der von Andreas Sandvoß entwickelt wurde und in vielerlei Hinsicht neue Wege geht. Im Zentrum steht nicht die „Fehlersuche“, sondern das Verstehen von Verhalten – auch dann, wenn es laut, wütend oder grenzüberschreitend ist.
Das SAGT® sieht Aggression nicht als Gegner, sondern als Signal und Ressource. Statt Verhaltensweisen zu unterdrücken, hilft das Training den Teilnehmenden dabei:
-
ihre Gefühle und Impulse zu erkennen,
-
eigene Grenzen und Bedürfnisse zu formulieren,
-
alternative Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln,
-
Verantwortung für das eigene Verhalten zu übernehmen.
Dabei wird besonders auf die systemischen Zusammenhänge geachtet – also auf die Rolle des sozialen Umfelds, familiärer Prägungen, früherer Erfahrungen und struktureller Bedingungen. Aggression ist immer eingebettet in eine Geschichte, in Kontexte und Beziehungen. Genau das macht den Unterschied zwischen Symptombekämpfung und echter Veränderung.
Was das SAGT® besonders macht
Das SAGT® ist kein Trainingsprogramm „gegen“ etwas, sondern ein Raum für Entwicklung. Es ist beziehungsorientiert, klar in der Haltung und traumasensibel. Die Trainer:innen bringen nicht nur Methoden mit, sondern vor allem eine Haltung, die geprägt ist von:
-
einem respektvollen Blick auf Menschen, selbst (oder gerade dann), wenn sie sich destruktiv verhalten,
-
dem Verständnis für die Not hinter dem Verhalten,
-
und einer klaren Haltung zu Gewalt: Sie ist nie in Ordnung – aber oft Ausdruck eines unerkannten Mangels an Handlungsmöglichkeiten.
- Wir bringen im Training die nötigen Coaches und Berater/innen schon mit. Die Hauptthemen, neben den oben genannten, sind Schulden, Sucht und fehlende Arbeitsperspektiven. Deshalb coachen wir bereits im Training und auch danach, genau diese Themenfelder mit.
Fazit: Aggression will nicht weg – sie will verstanden werden
Anstatt also „gegen Aggression“ zu arbeiten, sollten wir lernen, mit ihr zu arbeiten. Der Schlüssel liegt nicht im Wegmachen, sondern im Kanal. Menschen – besonders junge – brauchen Trainings, die sie stärken, nicht brechen. Die ihnen helfen, ihre Kraft zu nutzen, statt sie gegen sich oder andere zu richten.
Das Systemische Anti-Gewalt-Training SAGT® bietet genau das: eine Haltung, die Menschen sieht – und eine Struktur, die Veränderung möglich macht.
Und wenn wir ehrlich sind: Wäre es nicht höchste Zeit, den Titel Anti-Aggressionstraining in Rente zu schicken?